Der Journalismus durchläuft derzeit einen Wandel.

Alle Zeitungen sind davon betroffen, manche schon mehr, andere noch weniger, vor allem aber Regionalzeitungen scheinen die ersten Veränderungen, insbesondere auch finanzieller Natur, zu spüren (siehe Entlassungswellen bei Gannett, siehe Verkaufspläne im Hause Dumont). Und um genau zu sein, ist das ja auch schon länger so. Werbeerlöse gehen zurück, das Print-Stammgeschäft geht zurück und das Geschäftsmodell wird in Zeiten der Digitalisierung neu aufgestellt. 

Wandel aber hat auch seine guten Seiten, so erzwingt er doch die Anpassung an neue Technologien um mit dem Leser ganz anders als über das starre Printmedium in den Austausch zu treten. Mit anderen Worten: Regionalzeitungen sind nicht tot. Sie müssen sich nur anders aufstellen, als noch vor einem Jahrzehnt oder wie Mark Thompson, CEO der New York Times kürzlich in einem Interview mit dem Nieman Lab sagte, Lokalzeitungen müssen “den Platz [in der Medienlandschaft] finden, an dem sie für etwas einstehen können”.  

Für was aber gilt es einzustehen? Unsere These ist es, dass vor allem Lokalredakteure ihre Leserschaft kennen und mit relevanten Inhalten erreichen. Sie sind Schiedsrichter, politischer Kommentator und gesellschaftlicher Beobachter in Einem – und kennen die Menschen vor Ort so gut wie niemand sonst. Allein dafür lohnt es sich schon, den Lokaljournalismus zu verteidigen. 


Viele der mehr als 300 Tageszeitungen in Deutschland fangen an, ihre journalistischen Inhalte und Verkaufsmodelle neu zu denken. Wir haben einige Ansätze – vor allem auch von unseren eigenen Partnern –  analysiert und folgende Thesen herausgearbeitet:

1.Bei vielen interessanten Geschichten liegt die Wurzel im Lokalen. Diesen Vorteil müssen Lokalredakteure nur nutzen. Regionalzeitungen ermöglichen es ihren Lesern, immer zu wissen, was in der Stadt, der Gemeinde oder dem Landkreis, in dem sie leben, passiert. Was ist lokalpolitisch momentan Gesprächsstoff, wann sind die nächsten Schützenfeste oder Kunstausstellungen im Ort, was sollte man ja nicht verpassen? Lokalredakteure analysieren neue Gesetzentwürfe aus dem Rathaus oder Kommunalrat, sie fühlen dem Großunternehmer um die Ecke auf den Zahn und in keiner anderen Zeitung werden die kleinen Erfolge, aber auch Niederlagen des ortsansässigen Fußballclubs derart nachgezeichnet. 

Es verwundert daher auch nicht, dass es von all unseren Partnern die Regionalzeitungen sind, die mit ihren Opinary-Umfragen durchgängig die besten Interaktionsraten erzielen. Von der Badischen Zeitung, über die Schwäbische Zeitung, bis hin zu Schweriner Volkszeitung, Neue Osnabrücker Zeitung, Nordbayern.de, Nordwest-Zeitung und BR24: sie alle erzielen pro Monat Raten zwischen 15 und 32%, wohingegen der Durchschnitt aller unserer Publisher-Partner bei 11% liegt. 

Es ist daher besonders wichtig, dass sich Regionalzeitungen bewusst sind, welche Themen und Inhalte für ihre Leser den Mehrwert und gute Interaktion (wie oben genannt) ausmachen und dementsprechend weiter ausbauen.

2. Der Zweck von Lokaljournalismus ist es, die Probleme, aber auch Wünsche der Leser vor Ort zu erkennen, mögliche Lösungen zu recherchieren und darüber zu schreiben. Grundsätzlich sind es häufig Themen, die das Leben der Leser vor Ort direkt oder indirekt betreffen, insbesondere Ängste und Wünsche, beispielsweise zu bestimmten Bauprojekten oder der Auswilderung des Wolfs. 

Die Wahrscheinlichkeit, neue zahlende Leser zu gewinnen, ist dann besonders hoch, wenn sich die eigenen Leser für ein Thema stark interessieren und eine klare Meinung dazu haben. Da unsere Partner ihre Leser bei besonders kritischen Themen gerne um ihre Meinung  bitten, haben wir für 2018 einen guten Überblick bekommen, welche Themen die Menschen vor Ort besonders bewegen – und welche sich dadurch besonders für die Vertiefung bestimmter Artikelthemen, aber auch gezielte Conversion-Projekte eignen könnten.

Wir haben die erfolgreichsten 100 Umfragen unserer Regionalpartner aus dem vergangenen Jahr analysiert. Die Themenfelder mit den meisten Stimmen und höchsten Interaktionsraten waren hierbei: Stadtbild/Bau (23 Umfragen),  Lokalsport (16 Umfragen), Regionalpolitik (15 Umfragen), Auto/Nahverkehr/Transport (10 Umfragen),  Wolf/Jagd (7 Umfragen), Kultur & Regionale Veranstaltungen (5 Umfragen), (Erneuerbare) Energie (2 Umfragen) und sonstige Themen, wie das ungeliebte Salzstreuen im Winter in Garrel oder mögliche Namen für die Löwenbabys im Frankfurter Zoo (20 Umfragen).

Hier seht ihr zur zukünftigen Inspiration die Top 10 Fragen einiger unserer lokalen Partner:

3. „Vielen Dank für die Wurst”. So bewarb die Rheinpfalz im vergangenen Jahr ihr Sonderangebot für ein 21-tägiges Gratis-Testabo ihrer Digital- und Printausgabe. Der Clou: das Abo war nur während der Zeit des Dürkheimer Wurstmarktes, einem regionalen Weinfest, erwerblich. Die Werbebanner für das Sonderangebot wurden zudem nur nach Umfragen, die sich direkt mit dem Weinfest befassten, ausgespielt. 

Als Geschenk für diejenigen, die es auf die Angebotsseite geschafft und ein Testabo abgeschlossen hatten, gab es sogar noch ein Pfälzer Dubbe Dabbe obendrauf (für die Nicht-Pfälzer unter euch: ein Dubbe Dabbe ist einfach ausgedrückt ein Glasmarkierer, welcher durch einen Saugnapf an glatten Untergründen haftet – scheint besonders bei Weinfesten ganz praktisch zu sein). 

Man merke: Anlassbezogene Abo-Angebote und Conversion-Banner funktionieren. Leser von Regionalzeitungen haben einen großen Heimatbezug. Sie möchten verfolgen, was bei ihnen in der Gegend passiert. Eine gesteigerte Anzahl an Aboabschlüssen im Rahmen regionaler Veranstaltungen erscheint da nur naheliegend.

Gleichzeitig gilt, dass auch regionale Medienunternehmen heute viele verschiedene Zielgruppen haben. Den einen mag das heimische Weinfest interessieren, den anderen aber nur die Ergebnisse aus der Regionalliga. Beide sind daher in unterschiedlichen Kontexten für Abos zu begeistern und zu gewinnen.

4. Leser vertrauen ihrer Lokalzeitung. Und Leser vertrauen Zeitungsmarken, die sie seit Langem kennen. Aber sie stellen auch neue Ansprüche an den Journalismus. Es ist daher schön, die Experimentierfreude gerade auch bei unseren lokalen Partnern zu beobachten. Viele unserer Partner fangen an, den Journalismus neu zu denken. Zwei Beispiele würden wir dabei gerne direkt hervorheben:

Einerseits wäre da selbstverständlich der Berliner Tagesspiegel zu nennen, der Opinary unter anderem nutzt, um seinen eigenen Newsletter noch mal zu bewerben. Im Checkpoint berichtet das Team um Chefredakteur Lorenz Maroldt subjektiv-pointiert, manchmal schon provokativ über die Geschehnisse in der Hauptstadt. Der Checkpoint ist ein eigenständiges journalistisches Produkt und bringt frischen Umsatz, gleichzeitig wirkt sich der Newsletter auch noch positiv auf die Abo-Zahlen des Tagesspiegels aus (mehr Details dazu findet ihr hier im Podcast-Interview zwischen Opinary Co-Founderin Pia Frey und Lorenz Maroldt). Wir freuen uns, dass auch Lokalzeitungen anfangen, ihre Produkte weiterzudenken und alternative Produkt- und Erlösmodelle anzustoßen – und sie überdies mit Opinary zu bewerben. 

Ein weiteres Beispiel ist das tolle Premium-Angebot, das die Schwäbische Zeitung nach Opinary-Umfragen ihren Lesern anzeigt. Über einen Banner im klassischen Schwäbische.de-Stil wird der Leser direkt in den Bestellprozess geführt, über welchen in Windeseile ein kostenloses 4-wöchiges Premium-Abo abgeschlossen werden kann. Um ein solches Paid Content-Paket aufzuziehen und die Leser langsam an die eigene Paywall heranzuführen,  ist eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Teams – Produkt, Marketing, Verkauf, Redaktion – erforderlich und die Schwäbische scheint dies wunderbar zu meistern.

Wir sagen: Weiter so und mehr davon bitte!

Die Werbung der Schwäbischen Zeitung für das kostenlose 4-Wochen Premium-Abo.

5. In unserer Zusammenarbeit mit Lokalzeitungen sehen wir, wie stark sich der Redaktionsalltag über die Zeit verändert hat. Das Motto lautet nun: “Do more with less” (d.h. mit weniger Geld, Material, Mitarbeitern etc. mehr Inhalte produzieren). 

In Zeiten, in denen ein (Lokal-)Journalist viele Dinge –  vom Artikel verfassen bis zum Einpflegen ins CMS – in kürzester Zeit erledigen muss, ist es wichtig, dass die Technologien und Tools, die verwendet werden, möglichst einfach zu verwenden sind. Das gilt für das hauseigene Content Management System, die App oder auch das Infografiktool, genauso wie für externe Software wie Opinary. Je einfacher das Tool, desto eher wird es genutzt. Beispielsweise beobachten wir beim Kölner Express und Nordbayern.de die regelmäßige Einbindung von zwei bis fünf Umfragen pro Tag in die eigenen Artikel – Opinary als Tool ist einfach zu nutzen und regelmäßige Umfragen gehören hier zum Redaktionsalltag. Andererseits können auch weniger und selektivere Umfragen ein Erfolgsmodell sein. Vorreiter wären hier beispielsweise die NOZ, sh:z und SVZ, die nach einem Projekt mit dem berühmten Zeitungsdesigner Mario Garcia ihr digitales Storytelling überarbeitet haben und nun ganz ausgewählt Artikel mit visuellen Elementen – und somit auch Umfragen – gestalten.

Insgesamt ist es wichtig, dass die Art und Weise, wie Opinary-Umfragen verwendet werden, zum Gesamtkonzept der Zeitung passt. Wir ermutigen dabei unsere Partner, unsere Tools allumgreifend zu denken und nicht nur isoliert für den Online-Auftritt. Print, Web, Mobile, App – alle Kanäle hängen zusammen. Deshalb ergibt es Sinn, Tools, die in einem Kanal verwendet werden, auch in den anderen zu integrieren, so verwendete z.B. unser Testpartner Lebensmittel Zeitung die Ergebnisse einer Online-Umfrage für seine Printausgabe. 

Ein solches allumgreifendes Konzept erarbeitet derzeit auch das “Aufbauteam Digital” der  Badischen Neuesten Nachrichten. Sie haben dabei den Luxus, aber auch die Herausforderung, dass der Onlineauftritt der Zeitung erst seit drei Jahren existiert.  Dadurch ist der Webauftritt eine “Lernwerkstatt für die ganze Redaktion” (Zitat aus Kress.de, paid) und viele verschiedene Elemente werden getestet um den neuen Geschäftsweg erfolgreich auszubauen. Wir sind gespannt, wie auch Opinary dazu beitragen kann und freuen uns auf noch mehr Innovationen.

Dies sind meine Beobachtungen zum Lokaljournalismus. Wie seht ihr die Entwicklungen? Sendet mir gerne eure Einschätzungen und Ideen einfach an anja@opinary.com. Ich freue mich!