Am Buzzword Künstliche Intelligenz (KI) kommt man heutzutage kaum mehr vorbei. Auch im digitalen Journalismus gewinnt das Thema immer mehr an Bedeutung. Welche Rolle KI hier konkret spielen kann, darüber haben Christina Elmer, stellvertretende Entwicklungschefin beim Spiegel, und Ulrike Koeppen, Leiterin des “AI and Automation Labs” vom Bayrischen Rundfunk, im OMR-Media-Podcast gesprochen.

Nachzuhören gibt es diese Folge auf Spotify und Apple Podcasts.

Beim Thema Künstliche Intelligenz spalten sich oft die Gemüter – während die einen darin eine alles verändernde Zukunftstechnologie sehen, befürchten andere, dass menschliche Tätigkeiten bald nur noch von Maschinen ausgeübt werden könnten. Angesichts solcher Diskussionen stellt Christina Elmer, ehemals Datenjournalistin, klar: “Es gibt nicht die eine KI”. Stattdessen würden unter den Begriff KI unterschiedliche Methoden fallen, darunter beispielsweise das Machine Learning.

 

Warum KI Journalist:innen interessieren sollte

Ulrike Koeppen, die ebenfalls aus dem Datenjournalismus kommt, ist überzeugt, dass KI mit der Zeit nicht nur Workflows verändern wird, sondern auch, wie wir Medien konsumieren und produzieren. Jene Medienhäuser, die auf diesen Wandel vorbereitet sind, werden laut Koeppen in drei bis fünf Jahren besser dastehen als solche, die das nicht sind. Für Elmer lautet die eigentliche Frage deshalb: “Warum beschäftigen sich nicht längst schon alle mit dem Thema?”. Konkret sieht sie die größten Vorteile der Nutzung von KI im Journalismus im Bereich Automatisierung und Skalierung, darunter die Möglichkeit, größere Datenmengen und Archive in die journalistische Arbeit einzubeziehen – kurzum, KI kann mehr Power in die Recherche bringen und die Distribution in die Breite führen. 

 

Als weiteren möglichen Einsatzbereich nennt Koeppen das Empfehlen von Artikeln: Beim Swedish Radio beispielsweise ranken Journalist:innen ihre Artikel gemäß eigener Qualitätsmerkmale und lassen darauf basierend der Leserschaft Artikel von einem Algorithmus vorschlagen. Elmer, die sich in einem Projekt mit der London School of Economics mit AI-generierter Textzusammenfassung beschäftigte, fügt hinzu, dass Algorithmen immer für klare Use Cases trainiert werden müssen. Denn Nachrichtentext ist nicht gleich Reportage, und dementsprechend kann ein auf die erste Gattung trainierter Algorithmus vielleicht Nachrichtentexte zusammenfassen, aber keine Reportagen. Eine one-fits-all Lösung gibt es also nicht.

 

Nicht alles, was KI ermöglicht, ist auch sinnvoll

Natürlich muss auch das Thema Künstliche Intelligenz differenziert betrachtet werden. Elmer erwähnt in diesem Zusammenhang, dass Algorithmen manche Personengruppen diskriminieren können, wenn sie mit den falschen Daten trainiert wurden, beispielsweise bei der automatisierten Analyse von Bewerber:innenvideos. Auch von einer generellen Automatisierung der Texterstellung hält sie wenig: Journalist:innen müssten ihrer Meinung nach immer für ihre Texte verantwortlich bleiben. Im Allgemeinen sei Nachvollziehbarkeit im Vertrauensverhältnis mit den LeserInnen enorm wichtig – und das dürfe die KI nie unterwandern.

 

 

 

KI zwingt uns an vielen Stellen, in die Definition zu gehen. Was sind unsere Werte und wie können wir sie so definieren, dass eine KI sie versteht?

Christina Elmer

 
 
 
Die Zukunft: Modularer Journalismus

Einig sind sich die Expertinnen darin, dass der Nutzen von KI vor allem im modularem Journalismus liegt. Koeppen beschreibt diesen als eine Art “Lego-Journalismus”, in dem mit bereits vorhandenen Versatzstücken gearbeitet wird und daraus neue Produkte entwickelt werden. In der Praxis könnte das beispielsweise heißen, aus vorhandenem Textmaterial automatisch Antworten auf Nutzerfragen zu generieren. Guter modularer Journalismus kann Redaktionen helfen, so Elmer, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Leserschaft zu reagieren. 

Generell müssten sich Verlage laut Elmer in Zukunft darauf vorbereiten, mit Künstlicher Intelligenz zu arbeiten. Wie schnell die Verbreitung von KI im Journalismus voranschreitet, hänge auch davon ab, wie das dazugehörige Wissen in der Gesellschaft angenommen und vermittelt wird. Auch Koeppken sieht beim Blick in die Kristallkugel noch kein klares Bild und findet: Wir müssen in dem Bereich jetzt einfach Erfahrungen sammeln.